Vor einiger Zeit habe ich mich über diesen Satz mit jemandem unterhalten und ich war der Meinung, er sei zutiefst unchristlich. Wir haben doch ein festes, klar definiertes Ziel: Das ewige Leben bei Gott. Meine Gesprächspartnerin hielt mir entgegen, dass wir trotzdem uns immer wieder auf den Weg machen und es schon ein Ziel sein sollte, auf dem Weg zu bleiben. Ich denke, wir beide hatten Recht.
Sicher ist die Ewigkeit das große Ziel unseres Lebens, aber bis wir dort angelangt sind, sind wir auf dem Weg und wir tun gut daran, auf dem Weg zu bleiben, auch wenn wir manchmal lieber sitzen bleiben würden. Nicht umsonst hat das II. Vatikanische Konzil die Kirche, die Gemeinschaft der Glaubenden, als das wandernde (pilgernde) Volk Gottes durch die Zeit bezeichnet. Als Gemeinden bzw. Pfarrei Hl. Hildegard v. Bingen sind wir Teil dieser Kirche auf dem Weg durch die Zeit. Die Gemeinden und ihre Lebensumstände haben sich verändert. In den nächsten Jahren werden noch tiefgreifendere Veränderungen geschehen. Veränderungen, die manche vielleicht mit Sorge in die Zukunft schauen lassen. Aber letztlich können wir nichts anderes tun, als uns auf den Weg zu machen und zu versuchen, als Gemeinde unseren Glauben zu leben.
Der Kabarettist Hans Werner Hüsch hat eine schöne Geschichte geschrieben, die zeigt, dass auch Gott manchmal seine Mühe hat, sich auf den Weg zu machen. Die Geschichte heißt: „Besuch beim lieben Gott“ .
Morgens, wenn er noch nicht so richtig wach war, sah er oft wie ein Häufchen Elend aus. Und einmal sagte er: „Ich glaube, ich habe mich vertan. Ich überlege nämlich schon seit langem, ob ich Jesus noch einmal nach Golgatha schicken soll. Was meinst du?” Ich schwieg. Dann sagte ich: „Lieber nicht.” Und dann sagte der liebe Gott: „Er ist zurzeit reichlich abwesend, die Menschheit setzt ihm zu und die Kirche ist ihm auch nicht mehr geheuer. Sie machen, was sie wollen, ob[1]wohl sie genau wissen, dass ich das nicht will. Wie hat doch euer Nietzsche gesagt: Wenn die Religion zur Moral wird, fängt sie an zu stinken. Großartig!
Komm, lies mir was vor, damit ich besser auf die Bei[1]ne komme!” Und ich las dem lieben Gott die Geschichte von meinem Onkel vor, mit dem ich an Himmelfahrt immer eine große Fahrradtour mache. Ja, und immer, wenn wir eine Fahrradtour machten, wusste ich, jetzt ist Himmelfahrt. Da war ich erst acht Jahre alt. Und auf der Fahrradtour träumten wir höchst polyphon von Himbeersaft, Löwenzahn, kaltem Kotelett, Kartoffelsalat, Matthias Claudius, Ave Maria, Shakespeare aus Thermosflaschen und Henkelmann. Über giftgrüne Wiesen immer einem unsichtbaren Gesang auf der Spur. Endlose Trauermärsche in Dur.
„Tja”, sagte der liebe Gott, „dann wollen wir uns auch mal auf den Weg machen.” Und er hatte in diesem Augenblick große Ähnlichkeit mit meinem Onkel. Gönnen wir uns Pausen und machen uns dann wieder auf den Weg!
Ihr Diakon Hanspeter Imhoff