Pfarrei Bellheim

Die Patronin unserer Pfarrei

Hildegard war Künstlerin und Wissenschaftlerin, Mystikerin und Ärztin, Dichterin und politisch engagiert und dies in einer von Männern dominierten Welt. Sie hatte schon als kränkliches Kind Visionen und behielt diese prophetische Gabe, vorauszusehen und Gegenwärtiges im Blick auf die Zukunft richtig zu deuten, ihr Leben lang. Ihr Gedanke der Einheit und Ganzheit ist auch der Schlüssel zu Hildegards natur- und heilkundlichen Schriften.

Gesundheit

Krankheit ist für sie ein Defizit oder Ungleichgewicht – Gesundheit dagegen das Gleichgewicht der Seele. In ihren Werken Causae et curae, Ursachen und Behandlung, wird deutlich, dass Heil und Heilung des kranken Menschen allein von der Hinwendung zum Glauben ausgehen kann, denn der Glaube allein bringt gute Werke und eine maßvolle Lebens-Ordnung hervor. Ihre Regeln für eine gesunde Lebensführung klammerten auch die Sexualität nicht aus; ihre Gedanken zur Rolle der Frau waren mutig und richtungsweisend. Unter dem ständigen Druck der über sie kommenden Visionen begann Hildegard 1141, diese schriftlich festhalten zu lassen; dabei half ihr der Mönch Volmar, der sie schon bei ihrer Ausbildung im Kloster als Magister begleitet hatte.

Bild: Miniatur aus dem so genannten Lucca-Codex des Liber divinorumoperum:
Hildegard am Schreibpult, um 1220/1230, Biblioteca Statale in Lucca.

Im Herzen des Universums

steht für Hildegard der Mensch, das volle Werk des Schöpfers, denn nur der Mensch kann ihn erkennen; aber deshalb steht der Mensch auch vor der Entscheidung: Steigt er empor, hebt er die Schöpfung mit sich empor; fällt er, reißt er die Schöpfung mit in den Abgrund. Immer haben wir den Geschmack des Paradiesapfels im Munde – die Lust der Empörung und Selbstzerstörung. Die Freiheit des Menschen führte zur Ursünde, aber Gott wollte freie Menschen: Mit der Macht deiner überaus herrlichen Kraft, überwältigst du niemand. Hildegard empfand sehr stark die Auswirkungen des menschlichen Handelns auf die Schöpfung – im Guten wie im Bösen. Von Umweltaktivisten ist sie heute noch gar nicht richtig wahrgenommen.

Gottes liebende Umarmung aller Kreaturen erhebt die Schöpfung über das bloß Natürliche hinaus und richtet sie zugleich – auf und zurecht. Wenn der Mensch seine Ichbezogenheit, sein Aufbegehren gegen Gott, beendet, erfährt er sich in freundschaftlicher Verbundenheit mit den anderen Geschöpfen, taucht die Urfreude in ihm auf: Die Seligkeit, gewollt zu sein; Hildegard nennt das die fröhliche Wissenschaft: Jedes Geschöpf ist mit einem anderen verbunden, und jedes Wesen wird durch ein anders gehalten. Das anzustrebende Gott ähnlich werden, liegt im Zusammenspiel von Erkennen und Handeln, contemplatio und actio, haben gleich gewichtig zu sein.

Miniatur aus dem so genannten Lucca-Codex des Liber divinorumoperum: Vision vom Menschen, um 1220/1230, Biblioteca Statale in Lucca.

Die heilige Gottheit

Die heilige Gottheit kann keiner je begreifen, nicht einmal berühren mit seinem Verstand, so hoch er ihn auch emporrecken mag. Gott ist höher als alles, schrieb sie knapp hundert Jahre, bevor Thomas von Aquin genau dies in unübertroffener Meisterschaft versuchte – bis auch er, nach einer mystischen Erfahrung ein Jahr vor seinem Tod, dieses Bemühen einstellte. Das Geheimnis des Geistes Gottes ist für Hildegard aber in der Schöpfung erfahrbar: Alles durchdringst Du, die Höhen, die Tiefen, jeglichen Abgrund. Das Obere begegnet dem Unteren, der Schöpfer in der Schöpfung, in jedem Menschen, jedem Tier, jeder Pflanze, jedem Stein lässt er sich lesen, Belebtes und Unbelebtes klingen zusammen in einer großen Synphonika. Die Erde ist nicht die endgültige Heimat des Menschen, aber sie ist viel mehr als wertlose Hülle.

Das Grundübel des Menschen besteht für Hildegard darin, dass er – mit dem schwarzen Engel – immer nur Ich und Ich sagt und sich anmaßend selbst das Gesetz gibt, so als ob er sein eigener Gott sei. Die Lösung sei, sich selbst zu verlassen, die eigene Unordnung – dann erst den Leib – zu kurieren durch Reue: Vater, ich habe gesündigt gegen den Himmel. Das heißt: gegen das himmlische Kunstwerk, das ich selbst bin. Der Einzige, der wirklich den Namen Arzt verdiene, Christus, vermittelt die Einsicht und öffnet den Weg zum Vater.

Der Mensch, so Hildegards Grundanliegen, ist frei geschaffen und sein Leben lang in die Entscheidung gestellt, seiner in der Schöpfung grundgelegten Gottesebenbildlichkeit zu entsprechen; als Vorbild enthält das Buch eine malerische Lebensbeschreibung Christi. In ihren über Jahrzehnte, bis zu ihrem Tod, geschriebenen Büchern Liber simplicismedicinae und Liber compositaemedicinae hat Hildegard 280 Pflanzen und Bäume katalogisiert und nach ihrem Nutzen für Kranke aufgelistet.

Hildegard-Schrein in der Pfarrkirche in Eibingen

Worte der Heiligen

Der Mensch darf nicht erforschen, was er nicht wissen soll: Doch wie du die Gottheit nicht mit sterblichen Augen zu erblicken vermagst, so kannst du auch ihre Geheimnisse nur insoweit, als sie es dir ermöglicht, mit dem menschlichen Verstand erfassen. Du aber wendest dich mit deinem schwankenden Herzen da- und dorthin. Wie daher Wasser von der Hitze eines brennenden Ofens verzehrt wird, so wird dein Geist von der Unruhe deines törichten Herzens erstickt.

Du begehrst nämlich zu wissen, was dem in Sünden aus menschlichem Samen empfangenen Fleisch zu wissen verwehrt ist. Hebe doch deinen Finger und berühre die Wolken. Was nun? Doch das kann nicht geschehen. So auch nicht, dass du erkundest, was du nicht wissen sollst. Kann doch auch die Saat das Feld nicht begreifen, weil es ihr an Verstand und Einsicht fehlt und sie nicht weiß, was sie darstellt und was ihr Samen bewirkt, obwohl sie die Felder mit nützlicher Frucht umsäumt. Auch Mücken und Ameisen oder anderes kleines Getier wollen nicht über andere ihresgleichen herrschen oder Kraft und Bedeutung des Löwen oder anderer größerer Tiere verstehen und begreifen. So kannst auch du nicht erkennen, was im Wissen Gottes beschlossen ist.
Was hast du getan oder wo warst du, als Himmel und Erde erschaffen wurden? Der dies erschaffen hat, brauchte deine Hilfe nicht. So auch jetzt nicht.

Wozu erforschst du Gottes Gericht? Wenn dich die heilsame Flut von oben benetzt, zeige mir, wie du auf dem Acker deiner Seele arbeitest und wie du ihn pflegst. Wenn mir nun diese Anstrengung gefällt, gebe ich dir vorzüglichste Frucht. Nach deiner Mühe bemisst sich deine Frucht und der Verdienst. Gebe ich etwa Erdenfrüchte ohne Anstrengung? So handle ich auch an dir, o Mensch, nicht ohne Schweiß, den ich dir abverlange. Durch mich besitzt du nämlich die Kraft, mit der du dich mühen kannst. Übe dich also fleißig bei der Arbeit und du gewinnst daraus Frucht. Und wenn du Frucht bringst, erlangst du dafür Lohn. Doch was nun? Viele suchen mich mit hingabebereitem, reinem und einfältigem Herzen, finden mich und halten mich fest.

Demut und Liebe

stehen an der Spitze der Wertehierarchie: Die Demut bewirkte nämlich die Geburt des Gottessohnes aus der Jungfrau. Nicht in unersättlicher Umarmung, nicht in leiblicher Schönheit, nicht in irdischem Reichtum, in goldenem Schmuck oder in weltlicher Ehre erwies sich die Demut. Sondern der Sohn Gottes lag in der Krippe, weil seine Mutter eine arme Frau war. Seufzt und weint auch die Demut immer, sie macht allen Lastern ein Ende, das ist ihre Aufgabe. Wer immer also den Teufel besiegen will, schütze und bewaffne sich mit der Demut; denn Luzifer flieht vor allem und verbirgt sich vor ihr wie eine Schlange in der Höhle; wo sie ihn aber erwischt, zerreißt sie ihn schnell wie einen morschen Faden.

Die Liebe ergriff den einzigen Sohn Gottes im Schoß des himmlischen Vaters und legte ihn in den Schoß der irdischen Mutter, denn sie verachtete weder Sünder noch Zöllner, sondern erstrebte die Erlösung aller. Deshalb entlockt sie auch oft den Augen der Gläubigen einen Tränenquell und erweicht ihre Hartherzigkeit.
Dadurch erstrahlen Demut und Liebe mehr als die anderen Tugenden. Denn Demut und Liebe sind wie Seele und Leib, die zusammen mehr Gewalt besitzen als die übrigen Kräfte der Seele und die Glieder des Leibes. Wie ist das zu erklären? Die Demut ist gleichsam die Seele und die Liebe wie der Leib; sie können nicht voneinander getrennt werden, sondern arbeiten zusammen, wie auch Seele und Leib verbunden bleiben und miteinander wirken, solange der Mensch im Körper lebt. Und wie die verschiedenen Glieder des Leibes gemäß ihrer Kraft von Seele und Leib abhängig sind, so leisten auch die übrigen Tugendkräfte ihren gerechten Beitrag zugunsten der Demut und Liebe.

Deshalb, ihr Menschen, bemüht euch zur Ehre Gottes und zu euerm Heil um Demut und Liebe. So ausgerüstet werdet ihr die Nachstellungen des Teufels nicht zu fürchten brauchen, sondern unvergängliches Leben besitzen.

Quelle: Hildegard von Bingen: Scivias, hrsg. von W. Storch. Augsburg 1990, S. 529, 36f

Weitere Zitate:

Wie würde Gott als der Ewige bekannt, wenn kein Glanz von ihm ausginge? Denn es gibt kein Geschöpf, das nicht irgendeinen Strahl hätte, sei es das Grün oder der Samen, die Blüten oder die Schönheit.
Die ganze Welt schuf Gott. Und er ließ zu, dass auch der Mensch sich seine Welt baue. Denn die Menschen wirken und gestalten und befehlen. Sie schaffen an den Geschöpfen und bilden an diesem Vorbild auch anderes nach ihrem Willen, ohne ihm jedoch einen Geist geben zu können.

Gott hält Suche nach dir, weil er von jeher darauf bedacht ist, das verirrte Schaf zurückzuführen. Wenn du Willens bist, zu Gott zu eilen, wird er dir helfen.
Du hast in dir den Himmel und die Erde.
Die Augen sind die Fenster der Seele.
Die Seele ist die grünende Kraft im Leibe, sie wirkt mittels des Leibes und der Leib mittels der Seele. Das ist der ganze Bestand des Menschen.
Der Mensch weiß wohl um das Gute, auch wenn er es nicht tut.
Wir müssen auf die Stimme unserer Seele hören, wenn wir gesunden wollen!
Jede Krankheit ist heilbar – aber nicht jeder Patient.
In der Musik hat Gott den Menschen die Erinnerung an das verlorene Paradies hinterlassen.
Nur der Teufel kennt keine Musik.
Gib dem Menschen einen Hund und seine Seele wird gesund.

Quelle: https://www.aphorismen.de
Ökumenisches Heiligenlexikon