Pfarrei Bellheim

“Vorweg” zum Erntedank von Diakon Imhoff

Not lehrt beten – heißt ein bekanntes Sprichwort.

Wenn es einem zu gut geht, vergisst man leicht das Beten, so der Gedankengang. Bei dem Schriftsteller Elias Canetti klingt das etwas anders: »Das Schwerste für den, der an Gott nicht glaubt, ist, dass er niemanden hat, dem er danken kann. Mehr noch als für seine Not, braucht man einen Gott für den Dank.« Wirklich ungewöhnlich. Aber gerade an Erntedank ist es gut, einmal das ins Blickfeld zu nehmen.

Mose schreibt seinem Volk ins Gedächtnis, wenn er sagt: Wenn du gegessen hast und satt geworden bist und prächtige Häuser gebaut hast und sie bewohnst, dein gesamter Besitz sich vermehrt, dann nimm dich in acht, dass dein Herz nicht hochmütig wird und du den Herrn, deinen Gott, nicht vergisst, der dich aus Ägypten, dem Sklavenhaus, geführt hat…« (Dtn 8,12-14). Mit anderen Worten: Vergiss das Danken nicht.

Drei ursprünglich rein bäuerliche Feste hat das Volk Israel in Kanaan bereits vorgefunden. Das Besondere aber daran ist, dass es diesen heidnischen Festen eine zusätzliche Bedeutung unterlegt hat: Wenn das heidnische Kanaan den Göttern für die Gersten[1]ernte dankt, dann dankt Israel für die Gerstenernte und den Auszug aus Ägypten. Wenn Kanaan für den sommerlichen Weizen dankt, dann dankt Israel für den Weizen und den Bund am Sinai. Baut Kanaan beim Lesefest in den Weinbergen Hütten mit Ästen, Laubwerk und Früchten, dann baut Israel »Laubhütten« zur Erinnerung an die Zelte während seiner Wüstenwanderung. Die äußeren Erntedank[1]feiern werden so zu Gedächtnisfeiern.

»Danken« und »denken«, »gedenken« sind eng miteinander verflochten. Für Israel war – über das Wunder von Wachstum und Ernte hinaus – das noch größere Wunder, dass Gott sich sein »Eigentumsvolk« geschaffen und auserwählt hat. So wird auch das Erntedankfest durchsichtig für die Heilstaten, die Gott durch Jesus an uns Menschen von heute getan hat: Dass Aussaat und Ernte für uns zu guter Letzt, Leben in Fülle bedeuten. Also mehr als Grund genug, mit Lob und Dank sich an Gott zu erinnern.

Aus der Erinnerung ergeben sich auch immer Konsequenzen für das Leben. So schreibt Paulus: »Gott, der Samen gibt für die Aussaat und Brot für die Nahrung, wird auch euch das Saatgut geben und die Saat aufgehen lassen; er wird die Früchte eurer Gerechtigkeit wachsen lassen. In allem werdet ihr reich genug sein, um selbstlos schenken zu können… Denn euer Dienst und eure Opfergabe füllen nicht nur die leeren Hände der Heiligen, sondern werden weiterwirken als vielfältiger Dank an Gott« (2 Kor 9,10- 12). Paulus bittet hier die reicheren Korinther, für die notleidenden Brüder und Schwestern in Jerusalem zu spenden. Großherzig. Freigebig. Nicht gezwungen und verdrossen. Eine solche Spendenfreudigkeit aber ruft bei den armen Empfängern »vielfältigen Dank an Gott« hervor.

Mehr noch: Gott wird dadurch »verherrlicht«! Dass ist neben der Hilfsaktion für Paulus das Entscheidende. Paulus nennt diesen »Opfer[1]dienst« »liturgia« und den »Dank an Gott« »eucharistia«!

Das ist bis heute immer noch der wichtige Inhalt von Erntedank, gerade auch im Zeitalter des Überflusses, trotz aller Widrigkeiten, zumindest bei uns. Wir brauchen Gott für den Dank. Und genauso gilt uns der Auftrag, die »leeren Hände« zu füllen, und die Aufforderung Jesu: „Gebt ihr ihnen zu essen!“ Ihnen und ihren Familien ein gesegnetes Erntedankfest!

Ihr

Hanspeter Imhoff, Diakon